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Munich Climate School: Interdisziplinär für das Klima

10.07.2025

Die Munich Climate School bringt seit fünf Jahren Studierende und Promovierende unterschiedlichster Fachrichtungen zusammen, um wissenschaftlich fundierte Perspektiven auf die Klimakrise zu entwickeln.

© IMAGO / Christian Ohde

Egal ob Mathematik, aquatische Ökologie oder internationales Recht – am Thema Klimakrise kommt keine wissenschaftliche Disziplin mehr vorbei. Sie ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhundert und so global, komplex und bedrohlich, dass sich vor vier Jahren die Munich Climate School (MCS) an der LMU bildete: eine Klimaschule für Studierende und Promovierende, in der eine Woche lang fächerübergreifende Forschung präsentiert und gemeinsam Strategien und Antworten erarbeitet werden. In diesem Jahr findet die MCS vom 6. bis zum 11. Oktober statt. Eine Anmeldung ist noch bis 15. Juli möglich.

Interview mit dem Co-Gründer und Koordinator Dr. Nicolai von Maltitz und der Programmkoordinatorin Elisabeth Tscharke.

Wie wichtig ist die Wissenschaft im Kampf gegen die Klimakrise?

Nicolai von Maltitz: Wir sehen derzeit, dass Gesellschaften damit hadern, eine gemeinsame Wahrheit als Grundlage des Zusammenlebens zu finden. Unterschiedliche Wahrheiten scheinen nebeneinander zu existieren und teilweise konfliktträchtig und folgenschwer gegeneinander ausgespielt zu werden. Wissenschaft ist der Zugang zu einer Wahrheit, die sich methodenbasiert darstellen lässt und dadurch überprüfbar wird. So kann sie dem Panoptikum der gesellschaftlichen Wahrheiten begegnen und ein Angebot des gesellschaftlichen Konsenses und damit des gesellschaftlichen Zusammenhalts leisten. Die Begrifflichkeit “der Kampf gegen den Klimawandel” scheint mir allerdings politisch gefärbt.

Ich begreife mich zumindest in meiner wissenschaftlichen Tätigkeit nicht als „Kämpfer“, egal wie viel ich zum Klimawandel forsche und lehre. Ich denke, wir tun uns als Wissenschaft jedenfalls dann keinen Gefallen, wenn wir zu Lasten unserer Methoden politisch werden. Das heißt natürlich nicht, dass wir in unserer Privatheit nicht politisch sind, Meinungen haben und uns am öffentlichen Diskurs beteiligen, wobei wir uns selbstredend auch auf unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse berufen können. Die Munich Climate School soll in diesem Kontext eine wissenschaftlich fundierte Grundlage bieten, die Studierende für die berufliche und auch persönliche Welt wappnet. Man kann sich auf die Realität des Klimawandels eigentlich nur vorbereiten, wenn man diese Problematik von unterschiedlichen Perspektiven aus betrachtet.

Sie kommen beide aus der Richtung Rechtswissenschaft. Was hat Jura denn mit der Klimakrise zu tun?

von Maltitz: Grundsätzlich gilt: Möchte man dem Klimawandel systemisch begegnen, müssen wissenschaftliche Forschungserkenntnisse letztlich zu gesetzgeberischen Initiativen führen. Um diese in das vorhandene Rechtssystem einzupassen und in der Rechtspraxis adäquat umzusetzen, ist man insbesondere auch auf die Rechtswissenschaft angewiesen. Dazu kommt: Gegenwärtige Gesellschaften scheinen vor den komplexen Herausforderungen des Klimawandels schlicht überfordert, die international und national beschlossenen Klimaziele scheinen immer unrealistischer. Das ruft immer häufiger auch Gerichte auf den Plan, die mittlerweile (weltweit) ganz maßgeblich die Klimapolitik prägen.

Ein Kernbereich meiner Forschung ist der Themenkomplex „Klimastrafrecht“, der eine Vielzahl komplexer Fragen aufwirft. Was bedeutet es, zum Beispiel, für Rechtssysteme, wenn sich die Klimakrise immer weiter zuspitzt und wir gleichzeitig am Ziel der Klimaneutralität festhalten wollen? Wie lässt sich dieses Ziel in einem Rechtszustand abbilden und konsolidieren? Was für eine Rolle spielt dabei das Strafrecht als vielbeschworenes „schärfstes Schwert“ des Staates? Zudem: Wie gehen Strafgerichte mit dem Phänomen um, dass schon heute Straftaten zum vermeintlich Besten der Gesellschaft begangen werden? Was, wenn die Grenzwerte des Pariser Klimaabkommens überschritten werden? Darf sich Klimaaktivismus dann gegebenenfalls sogar über (Straf-)Gesetze hinwegsetzen? Dürfen Aktivistinnen und Aktivisten Fabriken lahmlegen, weil dann weniger Emissionen stattfinden? Dürfen sie Kunstobjekte mit Kakao und Bohnensuppe bewerfen?

Auf all diese Fragen gibt es natürlich keine einfachen Antworten. Fest steht lediglich: Wir können uns solchen Fragen nur nähern, wenn wir den Klimawandel in seinen Grundlagen und seiner globalen Komplexität verstehen. Außerdem sollten wir uns der interdisziplinären Aufgabe der Beantwortung dieser Fragen bald stellen, um nicht – aufgrund der sich stetig zuspitzenden Herausforderung des Klimawandels – schlussendlich illiberale Lösungen zu implementieren, die Rechtsstaat, Gewaltenteilung und Demokratie selbst in Frage stellen.

Ohne interdisziplinären Austausch geht es also nicht?

Tscharke: Nein. Wir verdanken in unserer juristischen Arbeit den anderen Wissenschaften so viel. Teilweise sind diese auch schon zu Ergebnissen gelangt, auf denen unsere Forschung wiederum aufbauen kann und umgekehrt. Hierdurch entstehen gute und wichtige Synergien. Wir wollen, dass die Studierenden durch die Klimaschule aus genau dieser Interdisziplinarität schöpfen können. Wenn ich selbst bisher aus der Perspektive der Rechtswissenschaften heraus den Klimawandel untersucht habe, dann halten beispielsweise Fächer wie Medizin ganz neue, spannende Aspekte bereit. Dadurch verändert sich zwangsläufig auch der Blick auf mein eigenes Forschungsgebiet und inspiriert mich zu neuen Denkanstößen.

von Maltitz: Man kann die je eigene Kompetenz der unterschiedlichen Disziplinen nicht genug betonen und wertschätzen. Die Rechtswissenschaft ist, zum Beispiel, methodisch nicht darauf aus, zu erkennen, was in der Welt passiert, wie sie beschaffen ist. Wir leben ganz häufig in einem abstrakten, normativen Raum, analysieren und kritisieren Gesetzestexte und schlagen neue Gesetze und Gesetzesinterpretationen vor. Aber um zu wissen, was zum Beispiel beim Klimawandel vor sich geht, brauchen wir die naturwissenschaftlichen Grundlagen und ohne die Sozialwissenschaften könnten wir die damit verbundenen, gesellschaftlichen Umbrüche nicht begreifen. Zeitgleich kommt das Recht nicht ohne Ideen zur Gerechtigkeit aus, sodass wir uns unweigerlich auch an die Philosophie, die Theologie, die Ethik zu wenden haben. Und vice versa. Die Geowissenschaften können hervorragend beschreiben und prognostizieren, was passiert, aber auch sie müssen wissen, wie wir mit diesen Prognosen umgehen – politisch, juristisch, kommunikativ.

Was haben Sie durch diesen interdisziplinären Austausch gelernt?

von Maltitz: Hier müsste ich im Grunde von vielen einzelnen Begegnungen und Momenten berichten, versuche aber meine Antwort auf eine interdisziplinäre Grunderfahrung herunterzubrechen: So habe ich gelernt, besser zuzuhören und die Begrenztheit der eigenen Methoden zu begreifen.

Gibt es überhaupt noch eine Disziplin, die sich der drängenden Thematik Klimakrise entziehen kann?

Tscharke: Ich denke nicht. Die ersten Monate zur Zeit der Gründung der Klimaschule und die damit verbundene Suche geeigneter Dozierender für die Klimaschule haben mich dahingehend überrascht, wie viele Disziplinen an der LMU sich mit dem Thema schon längst beschäftigen. Unsere Aufgabe bestand letztlich also darin, diese Vielfalt zu bündeln und außenwirksam zu würdigen. Ich bin stolz, dass wir immer wieder auch Disziplinen für die Klimaschule gewinnen können, die uns vielleicht jedenfalls auf den ersten Blick nicht immer präsent sind. So beispielsweise die Kommunikationswissenschaften oder auch im letzten Jahr die Kunstwissenschaften.

von Maltitz: Ich kann mir jedenfalls nur schwer vorstellen, dass es eine Disziplin gibt, die keine Fragen hat, die im Bereich des Klimawandels zu verorten sind, aber natürlich kann es sein, dass es Forschungsbereiche gibt, die diese Fragen zum gegebenen Zeitpunkt nicht thematisieren oder schlichtweg andere Schwerpunkte setzen.

Egal, was für wissenschaftliche Erkenntnisse ans Tageslicht kommen, am Ende müssen sie auch umgesetzt werden. Ist deswegen auch eine COP Simulation geplant, in der die UN Klimakonferenz nachgestellt wird?

von Maltitz: Hier kommt es letztendlich auf die konkrete Bedeutung des Begriffs „müssen“ an. Wenn wir die internationalen und nationalen Klimaziele einhalten wollen, dann „müssen“ wir als Menschheit – und das zeigen uns die Klimawissenschaften eindrücklich – tatsächlich schleunigst handeln. Doch das heißt natürlich nicht, dass sich politische und auch gesellschaftliche Prozesse an diesem „müssen“ orientieren. Genau diese Erkenntnis wollen wir den Studierenden durch das Planspiel plastisch vor Augen führen. Hierbei sollen die Studierenden andere Positionen einnehmen und erleben, wie herausfordernd viele politische Prozesse auf internationaler und nationaler Ebene – gerade bei dieser komplexen Herausforderung – sind.

Das wiederum ist eine wichtige Erfahrung, um dem Klimawandel gerade in Politik und Gesellschaft adäquat und effektiv zu begegnen. Wir müssen im Kern verstehen lernen, warum es der Welt von heute so schwerfällt, dieser großen Herausforderung zu begegnen. Als Juristinnen und Juristen haben wir zum Beispiel oft das Gefühl, dass wir nur ein Wort, eine Phrase im Gesetz ändern müssten, damit sich ein gesellschaftliches Problem löst. Auch hier belehrt uns schnell der wertvolle Blick anderer Disziplinen: Nur weil sich Gesetze ändern, heißt das doch noch lange nicht, dass gesellschaftliche Realitäten diese Veränderungen auch tragen.

Was ist das Ziel der Klimaschule?

von Maltitz: Zunächst wollen wir Studierenden den Zugang zu grundlegenden Erkenntnissen über den Klimawandel aus einer Vielzahl unterschiedlicher Fachrichtungen ermöglichen. Hierbei sollen die Studierenden auch die Grenzen ihrer eigenen Disziplinen kennenlernen. Doch soll die Munich Climate School nicht nur in fachlicher, sondern auch in persönlicher Hinsicht wertvolle Erfahrungen mit sich bringen. Es ist jedes Jahr wieder schön zu beobachten, wie die Klimaschule eine so internationale und interdisziplinäre Gruppe bereits nach wenigen Stunden zusammenbindet. Gerade die interpersonale Erfahrung, einer Herausforderung gemeinsam zu begegnen, lässt uns doch – gerade in Anbetracht der grundsätzlich doch pessimistisch stimmenden Materie – Hoffnung schöpfen.

Was macht Ihnen beiden denn Mut bei diesem doch auch pessimistisch stimmenden Thema?

von Maltitz: Mut machen mir zwischenmenschliche Begegnungen, wie sie so oft auch in der Klimaschule entstehen. Menschen, die sich füreinander interessieren, sich zuhören, die sich gegenseitig bereichern und gemeinsam – entgegen allen Pessimismus – mit Kraft und Mut dieser großen Herausforderung entgegengehen. Menschen, die im Trubel möglicher Wahrheiten mit Blick auf die Wissenschaft einen gemeinsamen Konsens suchen.

Tscharke: Ich sichte gerade die Bewerbungen für dieses Jahr und jedes Mal, wenn ich eine neue Bewerbung öffne, ist das eine Belohnung für das ganze Projekt und macht mir persönlich Mut, was die Möglichkeiten anbelangt, dem Klimawandel entgegenzutreten. So viele junge Menschen haben einfach Lust, sich mit der Materie zu beschäftigen – das ist für mich absolut nicht selbstverständlich! Es könnte ja gerade bei jungen Menschen ein Ohnmachtsgefühl aufgrund der gesamt-politischen Lage und der Vielzahl der Krisen entstehen. Aber stattdessen bringen die Studierenden mit ihrer Anmeldung zum Ausdruck: Ich möchte etwas lernen und ich habe die Hoffnung, dass ich einen positiven Beitrag leisten kann. Das stimmt einfach hoffnungsvoll.

Die fünfte Munich Climate School findet vom 6. bis 11. Oktober 2025 an der LMU statt. Weitere Informationen finden sich unter https://www.munich-climate-school.lmu.de/.

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